Mit Geodaten aus Smartphones will das BAMF feststellen, wo Geflüchtete herkommen. CC0 João Silas
Wenn Asylsuchende das erste Mal mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in Kontakt kommen, sollen ihre Handys ausgelesen und die Daten auf Vorrat gespeichert werden. Das erklärte BAMF-Chefin Jutta Cordt Ende August. Ursprünglich war die Rede von Einzelfällen, bei denen die Befrager und Entscheider die Herkunft nicht auf anderem Wege zweifelsfrei ermitteln können. Laut Cordt bezieht sich nur die Auswertung auf Einzelfälle, als „Ultima Ratio“. Sammeln wolle das BAMF alles.
Im kürzlich geänderten Asylgesetz ist für das BAMF lediglich die Befugnis verankert, Datenträger auszuwerten, wenn eine Identität „nicht durch mildere Mittel“ feststellbar ist. Während des Gesetzgebungsverfahrens betonten vor allem SPD-Politiker, der Zugriff solle nur in Einzelfällen erfolgen – wenn die Betroffenen kein Passdokument vorlegen können und anderweitige Informationen nicht zu einem eindeutigen Ergebnis führen. Doch bereits damals wies der Deutsche Anwaltverein darauf hin, dass diese Beschränkung im Gesetz nicht explizit verankert ist. Nun wird das Schlupfloch tatsächlich für die unterschiedslose Kompletterfassung der Smartphone-Daten aller Asylsuchenden genutzt.
Ländercodes, Geodaten und verwendete Sprachen
Mit einer Anfrage an die Bundesregierung wollte die Linkenabgeordnete Ulla Jelpke mehr über die Methoden des BAMF erfahren. Die Bundesregierung räumt ein, das BAMF könne die Daten bereits bei Registrierung der Asylsuchenden erheben. Ein Volljurist müsse jedoch die Auswertung anordnen. Kommt es dazu, würden die „Rohdaten“ ausgelesen. Das umfasse „Ländercodes der gespeicherten Kontakte, Ländercodes der angerufenen und angeschriebenen Nummern, Ländercodes der eingehenden Anrufe und Nachrichten, Lokationsdaten und die in den Nachrichten verwendeten Sprachen“.
Fragestellerin Jelpke sieht einen Widerspruch zum Gesetzgebungsverfahren und dem Gesetzeswortlaut:
Sehenden Auges wird hier ein systematischer Verfassungsbruch im Umgang mit Asylsuchenden geplant und zudem ein massiver Generalverdacht gegen Flüchtlinge genährt. Dabei sind es zumeist fluchttypische Gründe, warum viele Schutzsuchende keine Pässe vorlegen können. Das von Regierungsseite geförderte pauschale Misstrauen gegen Flüchtlinge rechtfertigt keine Grundrechtseinschränkungen!
Geodaten waren eigentlich nicht geplant
Die Bundesregierung erwähnt ausdrücklich Lokations-, also Geodaten, als Analysebaustein. In einer Plenardebatte hatte sich der parlamentarische Staatssekretär Ole Schröder (CDU) beklagt, die SPD habe verhindert, dass diese Daten ausgelesen werden dürfen. Laut Bundesregierung könnten Geodaten „Rückschlüsse auf die Staatsangehörigkeit zulassen“, Reiserouten sollen aber nicht erstellt werden.
Jelpke ist nicht die Einzige, die an der Verfassungsmäßigkeit der pauschalen Handydurchsuchungen zweifelt. Die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff brachte gleichermaßen Bedenken vor und wies darauf hin, gerade bei Geflüchteten sei davon auszugehen, „dass eine Vielzahl von Informationen vorliegen dürfte, die den Kernbereich persönlicher Lebensgestaltung berühren.“
Maschinen statt Menschen
Auch über die Smartphone-Durchsuchung hinaus setzt das BAMF zunehmend auf Technik, um die Herkunft und Identität von Geflüchteten zu ermitteln. Mit Sprachanalyse-Software will es Dialekte analysieren und Herkunftsregionen zuordnen – eine Methode, die sehr fehleranfällig ist. Neue, „digitale Assistenzsysteme“ sollen zudem Foto- und Fingerabdruckabgleiche vereinfachen. Die Daten werden in einer zentralen Datenbank, dem Kerndatensystem gespeichert. Darauf haben unter anderem BKA und Geheimdienste Zugriff.
Asylentscheider bekommen damit immer mehr automatisiert erstellte Hinweise an die Hand. In Kombination mit einer mangelhaften Ausbildung kann es dazu führen, dass sich Entscheidungen über das Schicksal von Menschen zunehmend auf maschinelle Auswertungen stützen.
Hilf mit! Mit Deiner finanziellen Hilfe unterstützt Du unabhängigen Journalismus.